Hope of deliverance…

Zwei Wochen sind vergangen, seit mein Blogpost über den Lead-Designer von Kingdom Come: Deliverance ungeahnte Wellen geschlagen hat. Es ist Zeit, einmal zu schauen, welchen Verlauf die Debatte bisher genommen hat.

Dieser Blogpost ist eine Art (kommentierter) Pressespiegel und soll die Grundzüge der bisherigen Debatte nachzeichnen.

13. Januar

Am 13. Januar veröffentlichte ich den Beitrag Das „authentischste“ Historienspiel aller Zeiten?! Die gewaltige Schräglage von Kingdom Come: Deliverance, in dem ich unter anderem die politischen Äußerungen des Chefentwicklers Daniel Vávra und den Umstand, dass die deutschsprachige Gamingpresse dazu bisher geschwiegen hatte, problematisierte.

Der Beitrag verbreitete sich insbesondere über Twitter schneller und weiter, als ich geahnt hatte und erreichte die höchste Aufrufzahl am 14. Januar, noch bevor er von den großen Gamingportalen diskutiert wurde.

Statistik der Aufrufe und Besucher*innen von lepetitcapo.wordpress.com (Stand: 26.01.2018, 10 Uhr).

14. Januar

Der Beitrag wird als „wichtiger, längst überfälliger Artikel, der rechtzeitig vor dem Verkaufsstart des Spiels im Februar wichtige Fragen stellt“ gepiqd und Andreas Enderlin-Mahr knüpft auf seinem Blog an die Debatte um Authentizität an, die im Umfeld des Arbeitskreises für Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele und des GTS7000 geführt wurde, führt den Begriff der Akkuratesse ein und stellt fest: „Doch allein für die Authentizität ist nicht der Gehalt von ‚historischer Wahrheit‘ (falls so etwas existiert) relevant, sondern einzig und allein die akkurate Wiedergabe eines leider allzu fest etablierten nationalistischen Geschichtsbildes“. Außerdem beleuchtet auch Fried Phoenix die Person Vávra, fügt weitere Indizien an und stellt die Frage, ab wann Spiele boykottiert werden sollten.

15. Januar

Spieletipps berichtet über den Blogpost und unterstützt „die berechtigte Frage, warum diese Hintergründe in der deutschen Presse nicht thematisiert worden sind. Gerade wenn es um ein Spiel geht, von dem die Entwickler behaupten, dass es historisch so akkurat wie möglich sein soll.Screaming Pixel zieht Konsequenzen und erklärt: „Bei Screaming Pixel stehen wir für Gleichberechtigung. Wir sprechen uns klar gegen Sexismus, Rassismus, Nationalismus und Homophobie aus. Darum boykottieren wir Kingdom Come: Deliverance.

16. Januar

Der Standard berichtet. 4players diskutiert in einem Videobeitrag, ob die Kritik an der Gamingpresse berechtigt sei. Eike Cramer und Jörg Luibl vertreten dabei die Ansicht, dass Werk und Autor getrennt zu betrachten seien und relativieren die gegen Vávra angeführten Indizien. Der Vergleich, eine Einbeziehung der Positionen des Autors in eine Kritik des Werks ähnele der Diskriminierung nicht-heteronormativer Autor*innen in der Vergangenheit, klebt dem Ganzen dann das Bärtchen an…

17. Januar

Die GameStar verteidigt sich gegen den Vorwurf, Vávras Positionen bei der Berichterstattung über Kingdom Come: Deliverance wissentlich ignoriert und Vávra damit eine Plattform geboten zu haben. Während der Videobeitrag mit Chefredakteur Heiko Klinge zur generellen Frage, ob die GameStar zu unpolitisch sei, sich differenziert mit der Problematik auseinandersetzt, ist der eigentliche Beitrag zum Spiel ebenfalls relativierend. Zu Gute halten muss man hier das Einholen der Statements von Daniel Vávra und Martin Klima, die aber wiederum nicht kritisch in den Kontext eingeordnet, sondern unkommentiert publiziert wurden. In seinem Statement erklärte Vávra, seine Äußerungen seien unüberlegt gewesen, er habe sich mit GamerGate solidarisiert, weil er für die Freiheit von Kunst und Presse streite, das Tragen des Burzum-Shirts sei „dumm“ gewesen und er entschuldigte sich: „Ich entschuldige mich für meinen Mangel an Sorgfalt und meine Gedankenlosigkeit in meiner persönlichen Kommunikation, der in der Vergangenheit zu Missverständnissen geführt hat. Sollte ich damit Gefühle verletzt oder den Eindruck erweckt haben, eine wie auch immer geartete Ideologie zu propagieren, bitte ich dafür um Verzeihung.“ Wirklich glaubhaft klingt das in Bezug auf jahrelang immer wieder getätigte Aussagen für mich nicht.

18. Januar

Tibor Bársony kritisiert auf seinem Blog t-berium den Beitrag der GameStar als „Nebelkerze“ und Julian Krüger beschäftigt sich auf seinem Blog Textblockade nochmal näher mit dem Texten von Burzum. Der Standard berichtet über Vávras Statement. Außerdem erklärt Colin Gäbel, Redaktionsleiter von Game Two, in einem kurzen Video die Haltung des Formats gegenüber der Debatte.

19. Januar

PC Games berichtet über die Debatte und unterstützt eine Trennung von Werk und Autor. Rainer Sigl schreibt im Standard über die Unsinnigkeit der Annahme, Spiele seien unpolitisch, die Reproduktion des Mythos‘ vom „weißen Mittelalter“ und das Statement des Chefentwicklers: „Einer der Schlachtrufe all jener, die sich im Zuge von GamerGate, dem sich Vávra verbunden gezeigt hat, überall in Spielen und Fachpresse von linker politischer Propaganda umgeben wähnten, war ja bekanntlich ‚Keep your politics out of my games‘.’Kingdom Come: Deliverance‘ allerdings würde, im Licht der polemischen Ansagen Vávras betrachtet, die fast fotorealistische, detaillierte und interaktive Rollenspielversion einer neurechten, ideologisch höchst aufgeladenen Mittelaltervision sein.

20. Januar

Screaming Pixel meldet sich erneut zu Wort und kommentiert den Beitrag der GameStar: „Am Ende bleibt ein Statement, das vieles, aber eben nicht alles klärt.“ Der Podcast Insert Moin beschäftigt sich in Les News (nur für Backer) mit dem politischen Hintergrund von Burzum und dem Umgang der Spielepresse mit politischen Aspekten von Spielen (sachliche Richtigstellung: Ich habe nirgendwo behauptet, dass Vávra ein Nazi, rechtsradikal oder das Spiel ein Propagandamittel für rechte Ideologie sei).

Unabhängig von der deutschsprachigen Debatte weist auch Jeremiah McCall in seiner aktuellen Linksammlung zu Historygames auf die Problematik um Vávra und KC:D hin.

21. Januar

Im Podcast Pixeldiskurs habe ich mit Stefan Heinrich Simond über den Blogpost und die Debatte gesprochen.

25. Januar

Im Podcast The Pod (nur für Backer) habe ich mit Jochen Gebauer, Christian Huberts und Andre Peschke den Blogpost rekapituliert, über den bisherigen Debattenverlauf und über die identitätspolitischen Aspekte von Authentizitätsdebatten gesprochen. Im ArchaeoGames-Podcast habe ich mit Carolin Wendt und Dom Schott darüber gesprochen, wie sich Gamingpresse und aber auch Historiker*innen den (politisch indizierten) Darstellungen von Vergangenheit in digitalen Spielen annähern und damit auseinandersetzen können – und was dazu vielleicht noch fehlt.

… from the darkness that surrounds us

Den Umstand, dass digitale Spiele keine unpolitischen Wohlfühlzonen und die Darstellungen der Vergangenheit in ihnen keineswegs unpolitisch sind oder überhaupt sein können, insofern sie immer an geschichtskulturelle, also kollektive Imaginationen der Vergangenheit anknüpfen und/oder diese (re)produzieren (in diesem Fall den modernen Mythos eines „weißen Mittelalters“), zeigt sich erneut gerade auch in den Kommentarspalten oder Forenthreads zu den Beiträgen der bisherigen Diskussion: Die Frage, wie Vergangenheit repräsentiert wird, ist sehr wohl eine politische. Als anschauliches Beispiel ist der nachstehende Kommentar eines offenbar tschechischen Gamers zu verstehen.

Ein exemplarischer Kommentar, der zeigt, dass es häufig genau um das geht, was ich problematisiert habe: um Politik bzw. (als bedrängt wahrgenommene) Identität.

In Zukunft muss es, wie schon in den Podcasts diskutiert, darum gehen, dass sich die Gamingpresse kritischer mit der Darstellung der Vergangenheit in digitalen Spielen und den Entwickler*innen dieser Spiele auseinandersetzt (allein schon, um Spieler*innen eine fundierte Meinungsbildung zu den jeweiligen Titeln zu ermöglichen) und sich auch Historiker*innen stärker in Debatten um digitale Spiele einbringen, Authentizitätsdebatten und die Darstellung von Vergangenheit in digitalen Spielen dekonstruieren und problematisieren. Hört dazu insbesondere beim ArchaeoGames-Symposion rein!

edit, 30.01.: Der ursprünglich am 25. erschienene Podcast Polyerse von Polygamia ist mittlerweile wieder online. Darin wird sehr schön der Anspruch an die journalistische Auseinandersetzung mit Spielen diskutiert.

Nachtrag

Mittlerweile haben wir Ende März 2018 und in der Zwischenzeit sind einige weitere sehr lesenswerte Analysen zum Spiel veröffentlicht worden, die ich hier gerne noch ergänzen möchte:

Bereits am 19.01.2018 veröffentlichte der User Kigosh auf dem GameStar-Blog unter dem Titel „KC Kontroverse zwischen Journalismus und Hexenjagd“ eine Kritik zu meinem Debattenanstoß und setzte sich dabei u.a. mit einigen methodischen Schwachpunkten der Argumentation auseinander. Die daraus abgeleitete inhaltliche Bewertung des Beitrags und der Debatte teile ich überhaupt nicht – dankenswerter Weise arbeiten andere User*innen in den Kommentaren die Argumente und das Anliegen meines Beitrags nochmal deutlich heraus.

Am selben Tag hat Matthias Kreienbrink in seinem Beitrag „Der ganze Muff des Mittelalters“ für ZeitOnline nochmal deutlich unterstrichen, dass es eine als realistisch verstandene „authentische“ Darstellung der Vergangenheit in digitalen Spielen nicht geben kann.

In einem herrlich launischen Artikel grub sich Callum Agnew in seinem Blogbeitrag „Kingdom Come: Thy Bullshit We’re Done“ vom 20.02.2018 nochmal tiefer in die politischen Ansichten Vávra’s und zeigte deutlich, dass es sich eben nicht um punktuelle Ausrutscher, sondern um eine politische Agenda handelt.

Ebenfalls am 20.02.2018 befasste sich Robert Purchese in „Kingdom Come: Deliverance review – history is a double-edged sword“ auf eurogamer.net mit dem Spiel und befragte dazu den Historiker Sean Miller zu POC in Böhmen, außerdem fiel ihm die Darstellung der Frauen* im Spiel negativ auf. Fazit: „All of which means that a shadow lingers over Kingdom Come: Deliverance. Instead of challenging the Dark Age it reinterprets 615 years later, the game seems to delight in it. Instead of seeing notes in the margin of a history book, we get what feels like a glossy pamphlet advertising an escape into an oddly romanticised past. And it’s that, ultimately, which makes me too uneasy about Warhorse’s work to be able to recommend it.

Und auch am 20.02.2018 bewertete Dom Schott für wired das Spiel als „kitschigen Mittelaltermarkt“. Die fehlende Transparenz in der Repräsentation von Vergangenheit im Spiel „ist auch unsere größte Kritik an Kingdom Come: Deliverance: Es bemüht sich darum, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ein Videospiel tatsächlich und wahrhaftig ein Kapitel der Menschheitsgeschichte historisch akkurat nachbilden kann. Statt hingegen transparent zu erklären, welche der vielen lückenhaften Quellen mit eigenen Ideen und Fantasy-Elementen ausgefüllt wurden oder frei erfunden sind, nehmen die Entwickler für sich selbst in Anspruch, das wahre Mittelalter nachgebaut zu haben.

Matti Sandqvist befand die Geschichtsdarstellung im Spiel in seiner Kolumne für PCgames vom 21.02.2018 als unproblematisch, anderes habe er in seinem Geschichtsstudium auch nicht kennengelernt. Leider erfahren wir nicht, mit welchem Schwerpunkt er studierte und in welchem Jahrzehnt seine Kenntnisse über den Forschungsstand stehen geblieben ist.

Auch GameTwo setze sich nochmals mit der Debatte auseinander und lud mich und andere nach Hamburg ein. Entstanden ist ein interessanter Zusammenschnitt, der die Diskussion zum Spiel passend zusammenfasst:

Am 02.03.2018 erschien auf unwinnable Reid McCarter’s Beitrag „Kingdom Come: Deliverance – Myth-making and Historical Accuracy“. In der guten Analyse und Einordnung in den gegenwärtigen politischen Kontext weist er dem Spiel einen tschechisch-nationalistischen Grundton nach.

Am selben Tag stellte Nathan Grayson in „Kingdom Come Owes Its Popularity To ‚Realism‘ And Conservative Politics“ für steamed in einer interessanten Analyse einen deutlichen Konnex der nationalistischen und regressiven Geschichtsdarstellung und dem (/einem (Groß)Teil des) Klientel(s).

Am 05.03.2018 ging Andreas Inderwildi für RockPaperShotgun nochmal grundsätzlich an das Kernproblem der gesamten Debatte heran: „Kingdom Come Deliverance’s quest for historical accuracy is a fool’s errand“.

Am 10.03.2018 sprach ich schließlich nochmals mit Manu von insertMoin über meinen Eindruck vom Spiel nach ca. 30 Stunden Spielzeit.

Und am 14.03.2018 hat sich Polygamia im Polycast 101 mit allen Dimensionen rund um Kingdom Come: Deliverance beschäftigt.

17 Kommentare zu „Hope of deliverance…“

  1. Die Debatte hat Ihre Berechtigung und man muss kein Hellseher sein um zu erkennen, dass das Geschichtsbild vieler Spiele eher eine Reflektion des historischen Selbstverständnisses der Macher ist. Das ist als solches aber eine Fiktion. Auch Vorstellungen von „Authentizität“ speisen sich eher von unseren Erwartungen an das Mittelalter. Kingdom Come kann man aber dahingehend absolut nicht den Vorwurf machen nationalistische Geschichtsklitterung zu betreiben. Es geht aus dem Spiel im Einklang mit historischen Quellen und auch der Meinung renommierter Historiker klar hervor, dass es die Idee eines Nationalstaates zu dieser Zeit nicht gab. Das heilige römische Reich wird als Vielvölker Konstrukt dargestellt und historische Figuren werden in ihrer Ambivalenz mit gehörigem Abstand betrachtet.
    Ich hätte mir als Spieler gerne tiefer gehende Details gewünscht, durch besondere Liebe zum Detail zeichnet sich das Spiel dann auch nicht aus, aber diese Vorwürfe grenzen an eine Verschwörungstheorie.

  2. Ich bin sehr erstaunt, dass Ihre Ausführungen so einen Anklang gefunden haben. Und dass manche Formate Ihre Annahmen scheinbar umgehend als faktisch korrekt betrachten. Ich würde mir wünschen, wenn Sie in Zukunft Fälle thematisieren würden, die klar belegbar sind.
    Ein letzter Denkanstoß: Wenn in einem Videospiel Menschen mit dunkler Haut fehlen, kann das unzählige Gründe haben.

  3. Hallo Jan,
    auf den Dreh- und Angelpunkt der Deskussion muss ich wohl oder übel noch einmal eingehen:

    „[Und fällt der Entschluss auf nein, muss damit auch klar sein, dass dadurch an den wissenschaftlich widerlegten Mythos vom exklusiv weißen Mittelalter angeknüpft wird], der seit einigen Jahrzehnten massiv von Akteur*innen des rechts-außen Lagers vereinnahmt und reproduziert wird. Also sollte die Begründung umso stichhaltiger ausfallen – zumindest wenn man sich mit jenen nicht gemein machen will.“

    Der erste Teil in eckigen Klammern stimmt in dieser Ausschließlichkeit schon mal nicht!
    Ich bin zwar mit dem von Dir als rechtem Kampfbegriff gedeuteten Ausdruck „weißes Mittelalter“ nicht vertraut, eine Google-Suche fördert aber auch kaum Brauchbares zutage. Auf Englisch findet man ein wenig mehr. Hand aufs Herz: wird hier eventuell die Mücke zum Elefanten gemacht?
    Wie auch immer – ich habe die Debatte genau genug verfolgt, um zu wissen, dass Vavra den Begriff so gar nicht benutzt, sondern lediglich gesagt hat, dass es zu der Zeit in dem Landstrich, den sie darstellen, keine Schwarzen gegeben hat. Das Umfassende, das der Begriff „weißes Mittelalter“ suggeriert, kann man aus Vavras Worten nicht herauslesen. Dafür sind Zeit und Ort viel zu begrenzt! Insofern hast Du da in meinen Augen bewusst unterstellend argumentiert. Polemik ist ja gut und schön, aber so etwas geht eigentlich gar nicht.

    Was die Faktenlage angeht… Na ja, sagen wir es so: Artikel wie dieser hier bestätigen Vavra eher, weil die Abbildungen die Ausnahmestellung von „POC“ unterstreichen:
    http://newnormative.com/2018/02/07/kingdom-come-deliverance-still-fails-deliver-representation/

    Übrigens ein ganz furchtbar ideologisch triefender Artikel, weshalb besagte Ausnahmestellung vom Autoren auch als Beleg fehlgedeutet wird. Dass „eure“ Seite in der Debatte mit wissenschaftlichem Anspruch argumentiert: Sorry, ich seh’s nicht.

    Beste Grüße
    Michael

    P.S: Ach ja, das Spiel: Absolut fantastisch! 😀

  4. Wenn Sie morgens zum Bäcker gehen, gehen Sie da zu einem Bäcker dessen politischen Hintergrund sie getestet haben und kaufen Sie da auch nur links gedrehte Salzstangen?

    Oder ist es Ihnen einfach egal? Haben Sie bei jedem Buch, jeder CD, und jedem Film den sie gesehen haben vor dem Konsum auch geprüft ob die an der Herstellung Beteiligten alle einen einwandfreien Leumund hatten? Oder ob da nicht doch ein Rassist oder Sexist oder Tierquäler oder sonst was beteiligt war?

    Sie sagen: „Die Gamingpresse muss politischer werden!“ Ich sage nein. Wenn ein Spiel rechtsradikale Inhalte hat soll es vom Markt kommen. Ohne Frage. Aber ein komplettes Entwicklerteam zu durchleuchten nur um ja jeden Linksliberalen zufrieden zu stellen ist nicht die Aufgabe des Spielejournalismus. Wer sich dafür so dringend interessiert soll das doch bitte selbst machen!

    Die Zeit die heute zum Testen von Spielen verwendet wird scheint mir ohnehin schon viel zu kurz. Diese Zeit nun weiter durch umfangreiche Recherchen über den politischen Hintergrund von Designern zu verkürzen um damit 1% der Leser glücklich zu machen ist übers Ziel hinausgeschossen.

    1. Ich verlange nicht das, was Sie offenbar unter „politischer werden“ verstehen. Ich wünsche mir, dass auch die klassische Gamingpresse reflektierter mit dem Kulturgut digitale Spiele umgeht und es als solches behandelt. So wie es auch mit anderen Medienformaten (Musik, Bücher, Filme, Fernsehen) heute Usus ist.

  5. Es tut mir leid, aber ich verstehe deine Argumentation nicht:
    1) Du gestehst dir ein, dass POC kein fester Bestandteil des Spiels ein müssten, inkl. unter der Berücksichtigung der kreativen Freiheit.
    2) Du gestehst dir ein, dass die Aussage ein „historisch realistisches Spiel“ zu kreieren, zu sehr auf die Goldwaage gelegt wird, weil ein Spiel dennoch um einen spielerischen Kontext zu gewährleisten immer die Realität abstrahieren muss.

    Und deine Schlussfolgerung ist dann die, dass dennoch POC ins Spiel integriert werden sollten, damit quasi ein Gegenpol zur Annahme geformt wird, das Mittelalter wäre ausschließlich weiß gewesen? Und dein Argument hierfür ist lediglich, dass Rechtsradikale diese Aussage propagieren und man denen Paroli bieten muss? Verstehe ich das richtig?

    Das zeigt mir zusammengefasst: Du verübst eine Art politischen und historischen Aktivismus einerseits, um dich einerseits gegen rechte Propaganda zu erheben und andererseits Klischees des Mittelalters auszuhebeln. Diese Absicht alleine, würde ich als komplett legitim – im Fall vom Abwehren von Naziideologie sogar als absolut löblich – erachten, wenn die Sache nicht einen riesigen Haken hätte: Nämlich der Fakt, dass du dir für DEINEN Aktivismus ein Unterhaltungsprodukt zu eigen machst, an dem du NICHT beteiligt warst, WEDER in Konzeption, WEDER in Finanzierung, WEDER in Ausführung, WEDER in Marketing und „missbrauchst“, um DEINE Anliegen zu diskutieren, während du Spiel und Hersteller aufgrund von Annahmen moralisch verurteilst? Den Begriff „Diskurs“ innerhalb deiner einseitigen Herangehens zu verwenden, ist blumig.

    1) Du zitierst lediglich Magazine, die deinen Standpunkt geteilt haben.
    2) Du akzeptierst keine anderen Meinungen. Aus der Aussage von 4Players, die z.B. deine Ansicht nicht teilen wird dann ein „relativieren“, genau wie bei der Gamestar.
    3) Als besten Beitrag bewertest du denjenigen, bei dem du selbst Teilnehmer warst.

    Ein Diskurs setzt per Definition die Akzeptanz von anderen Meinungen voraus und auch, dass das Ergebnis einem selbst nicht passen muss. Das sehe ich ehrlich gesagt weder in deinem ersten Blogeintrag, noch bei dieser Zusammenfassung, von der Richtigkeit einiger deiner Aussagen und Feststellungen mal abgesehen.

    Und wenn ich dann deinen Schlusssatz des letzten Kommentares lese: Da sprichst du von einem „möglicherweise“ schwierigen Fall und von „ob, das werden wir sehen“ und ich frage mich, ob du dir überhaupt im Klaren darüber bist, was dein Blogeintrag ausgelöst hat und ob du die Verantwortung dafür übernehmen willst, welche Auswirkungen das hatte? Du ruderst zurück mit den Worten „Ich hab ihn ja nicht Nazi genannt“, aber du hast diese Aussage kommuniziert.

    Also mein Fazit wäre:
    Absicht: Vorbildlich/Unterstützenswert
    Durchführung: Mangelhaft, einseitig, bis moralisch grenzwertig

    1. Nein. Ich würde mir aber wünschen, dass Spiele transparent machen, warum sie was wie darstellen und dass es auch andere Interpretationen gibt und sie begründen, warum sie welche davon gewählt haben, anstatt platt einfache aber schwerwiegende „historische Wahrheiten“ zu postulieren.

      Zu dem Einwand, dass Kritik nur gegen Strukturen vorgebracht werden solle, in denen die Kritisierenden sich selbst bewegen: Das ist doch Unsinn. Nach der Logik hätten US-Amerikaner*innen Nazideutschland nicht kritisieren dürfen? Und Fahrradfahrer dürfen nichts zum Dieselskandal sagen?

      Bitte gerne mehr Links hierunter teilen. Ich habe auch fleißig weitergesammelt. Das waren die Beiträge, die über reine „Produkttests“ hinausgingen und die ich als einschlägig auf dem Schirm hatte. Dass ich auf einem privaten Blog zu den einzelnen Beiträgen meine eigene Meinung schreibe, dürfte sich wohl auch von selbst verstehen.

      Zur Methodik und Form des Ausgangsbeitrags: Dazu habe ich mich jetzt schon an vielen anderen Stellen geäußert, wenn ich geahnt hätte, dass der Beitrag solche Wellen schlägt, hätte ich ihn vllt. in einigen Punkten etwas weniger polemisch verfasst und auch anders untermauert – aber nun ist er so wie er ist und ich lasse mich auch gerne dafür kritisieren!

      1. Ist „Kingdom Come: Deliverance“ jetzt historisch korrekter als ein „Assassins Creed“, oder nicht? Wir haben doch schon beide festgestellt, dass die Goldwaage am Ende ihrer Kapazitäten ist, womit die Forderung nach Transparenz bereits klingt wie eine Forderung nach Rechtfertigung. Aber ein Spiel, ein Film, ein Buch, ein Gemälde, ein Irgendwas muss erstmal innerhalb der eigenen Prämisse funktionieren, bevor sich der Erschaffende erklärt. Und selbst wenn, hat das in der Vergangenheit doch ohnehin nicht geklappt. Denn sagt ein Entwickler z.B. im Fall von „The Division“, dass er sich des politischen Aspekts, der im Spiel gesehen wurde nicht bewusst ist, belächelt man die Aussage und antwortet „Doch!“. Man kann als Entwickler hier also nur verlieren, speziell natürlich, wenn das Ergebnis der Meinung bereits im Vorfeld existiert und man darauffolgend selektiert nach Beweisen sucht, um das Ergebnis zu stützen.

        Zum zweiten Absatz: Entweder ein Problem existiert oder es existiert nicht! Punkt! Und wenn es existiert, dann sucht man nach Lösungsansätzen. Die Entwicklung von KCD dahingehend mit dem Nationalsozialismus oder dem Dieselskandal zu vergleich, ist mit Verlaub absoluter Bullshit, selbst wenn man die Tragweite der Probleme außen vor lassen würde. Das Fatale ist, dass du nicht nur ein Problem kritisiert hast, bevor überhaupt zu 100% klar war, ob ein Problem existiert, sondern zusätzlich eine Kausalschuld auf den Magazinen abgeladen hast. Der Vergleich würde stimmen, wenn die USA wahllos in gewürfelte Länder einmarschieren und/oder diese bombardieren würde, aus Vorsorge, es könnte ja dort der Nationalsozialismus herrschen und dabei gleichzeitig alle anderen Länder kritisieren würde, weil sie dabei nicht geholfen haben.

  6. Zur angesprochenen Spezies der Coregamer gehörend und Realismus in Spielen durchaus schätzend, als Ideal, dem man sich annähern kann und darf, auch ohne es jemals zu erreichen, stellten sich mir beim Lesen der beiden Blogartikel einige Fragen.

    In welcher Funktion und in welcher Zahl hätten dunkelhäutige NPCs nach Ansicht des Blogautors ins Spiel integriert werden sollen? Geht das überhaupt ohne Bruch der durch einen gewissen Realismusgrad unbestreitbar erzeugten Immersion – oder ist schon das falsch gedacht, weil die Abbildung einer diversen Spielerlandschaft letztendlich wichtiger erscheint? Müsste man sich das gewünschte Ziel ähnlich wie Assassin‘s Creed Syndicate vorstellen, wo die Londoner Straßengangs ganz paritätisch zur Hälfte weiblich besetzt sind – oder bin ich mit dieser bestenfalls leicht karikierenden Vermutung auf dem völlig falschen Dampfer?

    Oder wäre das Fehlen dunkelhäutiger Menschen hier gar nicht problematisiert worden, wenn sich Studiochef Daniel Vávra nicht zu Musik aus fragwürdigem Umfeld, fragwürdigen News-Seiten oder Verschwörungsvideos bekannt hätte? Sprich: Ist mit dem Spiel in Wirklichkeit alles in Ordnung?

    Anders ausgedrückt: Es wird zwar viel kritisiert, doch die genaue Stoßrichtung des Blogbetreibers erscheint mir unklar, auch weil die Vermischung aus indirekter Beweisführung gegen Studiochef Vávra, Kritik am Realismusanspruch der Designer und Kritik an der Spielepresse im allgemeinen sehr unglücklich wirkt. Gut, dass die Gamingpresse im weitesten Sinne politischer berichten sollte, habe ich verstanden. Aber macht sich KCD nun bestimmter „Kardinalssünden“ schuldig oder nicht? Wenn ja, wie sollte man es besser machen?

    Herzliche Grüße
    Michael

    P.S.: Eine Antwort auf den letzten Kommentar von Thasion würde mich ebenfalls interessieren!

    1. Hallo Michael,

      danke für deinen Kommentar und die Fragen!

      Es geht mir in diesem Zusammenhang um keine Quote. Wenn wir uns die Quellenlage anschauen, wird keine der beiden exponierten Positionen (POC in einem spezifischen kleinen Gebiet im mittelalterlichen Zentraleuropa ja oder nein) stichhaltig belegbar sein – insofern sicherlich ein Punkt, über den diskutiert werden sollte und der auch im Rahmen der künstlerischen Freiheit so oder so ausgelegt und repräsentiert werden kann (was dann auch begründet werden sollte). Insofern ist schon die Behauptung, eine „realistische“ Abbildung der Vergangenheit zu erzeugen, das eigentliche Problem, weil das eben schlichtweg unmöglich ist. Dagegen wird schnell das „ist doch klar, dass es nur ein Spiel ist“-Argument ins Feld geführt – aber die Darstellung von Vergangenheit in digitalen Spielen hat durchaus, sei es bewusst oder unbewusst, Einfluss auf die Geschichtsbilder der Spielenden. Daher ist das Argument viel zu kurz gedacht und dient eher dazu, die eigene Verantwortung in dieser Hinsicht von sich zu schieben oder gar den eigenen Einfluss zu verschleiern (wenn das Ziel ist, ein bestimmtes Geschichtsbild zu vermitteln). Und fällt der Entschluss auf nein, muss damit auch klar sein, dass dadurch an den wissenschaftlich widerlegten Mythos vom exklusiv weißen Mittelalter angeknüpft wird, der seit einigen Jahrzehnten massiv von Akteur*innen des rechts-außen Lagers vereinnahmt und reproduziert wird. Also sollte die Begründung umso stichhaltiger ausfallen – zumindest wenn man sich mit jenen nicht gemein machen will.

      Zu diesem Komplex kommt dann eben noch die Figur Daniel Vávra, der als Chefdesigner maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie das spezifische Spiel, an dem die Debatte entbrannt ist, am Ende aussehen und wie es Vergangenheit darstellen und als glaubhaft verkaufen wird.

      Dieser Konnex war für mich – neben dem Umstand, dass die Hintergründe zu Vávra schon seit Jahren bekannt waren, aber in der deutschsprachigen Gamingpresse keinerlei Beachtung gefunden haben – der Grund, den spezifischen Fall zu problematisieren und – durchaus polemisch – auf diese Verstrickungen von bestimmten Geschichtsbildern, politischen Haltungen von Gamedevs und digitalen Spielen hinzuweisen, die meiner Meinung nach viel zu wenig diskutiert werden.

      Dabei richtet sich die Kritik im Grunde auch gar nicht so sehr auf das spezifische Spiel – das ist nur eben ein sehr anschauliches Beispiel für einen möglicherweise schwierigen Fall. Und ob das Spiel am Ende doch einen guten alltagsgeschichtlichen Entwurf bietet, das werden wir dann morgen, bzw. nachdem wir das Spiel durchgespielt und gründlich analysiert haben, sehen.

      Beste Grüße
      Jan

  7. Welche Historiker wären das denn und von welcher Universität?

    Wie gesagt der Tumblr Blogpost beweist nämlich nicht die Existenz von POC in Böhmen um 1403, welches ja der Streitpunkt um Vavra war.

  8. Wie war eigentlich so die Reaktion der Gaming Community auf deinen Blog Post, also außerhalb einiger weniger Spielemagazine und warum befragt ihr nicht mal einen Historiker euer Wahl über das Thema?

    Der Author des Blogposts auf Tumblr ist nämlich kein Historiker

    1. Die Core-Gamer ragen, wie zu erwarten war, weil ja Politik und Spiele nichts miteinander zu tun hätten und sie lieber in Ruhe sexistische und rassistische Darstellungen unreflektiert konsumieren wollen. Den Großteil der positiven Rückmeldungen habe ich von Historiker*innen, Leuten aus den Gamestudies und Gamingjournalist*innen bekommen, die nicht in den Hochglanzmagazinen arbeiten und einen kritischeren Anspruch an Spiele haben.

      1. 1. Die unsitte jedes Feld des gesellschaftlichen Lebens zu politisieren ist zwar eine weit verbreitete und seit den 68er zelebrierte, aber dennoch eine Unsitte
        2. Die Feststellung das es auch unpolitische Gesellschaftsfelder geben kann/ sollte, heißt nicht das damit Seximus, Rassimus oder jede andere Form des ismus unreflektiert bleiben soll oder unkritisch ist
        3. Zeugt es von einer generalisierenden und wenig reflektierten Grundhaltung „Core-Gamer“ als ganzes dem Sexismus und Rassiumus anheim zu stellen, eine Grundhatung die letzlich auch für die unverhältnismäßige Vorverurteilung Vavras verantwortlch ist.
        4. Das du meinst du hast vorallem Zuspruch von den Menschen abseits zuspruch bekommen verstärkt mich leider in der Überzeugung, dass eine ernsthafte rationale Debatte mit dir unmöglich ist.
        5. Kritische Anspruch und Hexenjagd sind 2 verschiedene Dinge und obwohl ich gestehen muss, dass die Polemik traffic generiert hat, so muss ich die Art der öffentlichen Beschuldigung Vavras verurteilen.
        6. Tut es mir leid, aber deine Aussagen und deine Blogeinträge sind eher auf dem niveau von politischer Gender-Studies, als der wissenschaftlichen Geschlechter-Soziologie, deinem eigenem wissenschaftlichen Anspruch wirst du leider nicht gerecht

      2. 1. Die neoliberale Unsitte der Entpolitisierung jedes Feldes des gesellschaftlichen Lebens ist zwar eine weit verbreitete, aber dennoch eine Unsitte. Die zudem den Zweck hat, die ökonomischen (und politischen) Verhältnisse als unangreifbar, weil alternativlos zu inszenieren.
        2. Folgend aus 1 heißt es gerade das.
        3. Ja das stimmt. Die Kommentarspalten bspw. bei der GameStar, die sich selbst als Magazin für Core-Gamer sieht und als solches auch rezipiert wird, lässt aber eine deutliche Tendenz erkennen.
        4. Das Argument erschließt sich mir nicht.
        5. Das kannst du gerne tun. Ich komme jedoch nicht umhin, Polemik als punktuellen Debattenanstoß für notwendig zu halten.
        6. Wer sagt, dass dieses Blog wissenschaftlich sein soll? Dann hätte ich wohl bei Hypotheses gehostet und würde über andere Dinge schreiben.

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